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Wirtschaftsfaktor Zuwanderung

Fachkräftemangel und Integration in Deutschland

Ausländische Fachkräfte und Geflüchtete leisten einen wichtigen Beitrag für die deutsche Wirtschaft. Vielfältige Projekte am Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) fördern deshalb die Arbeitsmarktintegration von Zugewanderten, wie z. B. die Fachstelle Anerkennung und Qualifizierung (FSAQ) des Förderprogramms IQ, das Welcome Center Sachsen-Anhalt und die Studie zur Zu- und Abwanderung von EU-Bürger*innen. Schon jetzt kann in einzelnen Branchen der Fachkräftebedarf nicht allein durch einheimische Arbeitskräfte gedeckt werden (vgl. Bock et al. 2023). Dies gilt z.B. für Gesundheitsberufe, aber auch in der Frühpädagogik sowie in den Elektronik- und Mechatronikberufen (vgl. Heimann & Benzer 2024). In diesen Berufen wird ein besonders hoher Fachkräftebedarf von den Arbeitgebern verzeichnet und gleichzeitig stellen sie die antragstärksten Berufe bei der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse dar (vgl. Statistisches Bundesamt 2024, Tiedemann & Orange 2024). Im Jahr 2022 waren in der Altenpflege ca. 25 % der Beschäftigten zugewandert, in der Human- und Zahnmedizin etwa 22 % (vgl. SVR 2022). In der Frühpädagogik hatten etwa 17 % der Beschäftigten einen Migrationshintergrund (vgl. WiFF 2022).

Entwicklung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes

Um den Bedarf des Arbeitsmarkts zu decken, wurde unter anderem das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in den Jahren 2023 und 2024 schrittweise weiterentwickelt (vgl. BMI & BMAS 2023). Das Ziel hierbei: Personen mit bestimmter Staatsangehörigkeit, bestimmtem Alter, Geschlecht und Kompetenzen für Stellenangebote anzuwerben. Dadurch sollen vor allem Hochqualifizierte, anerkannte Fachkräfte, Arbeitskräfte mit Berufserfahrung, Arbeitskräfte aus den Westbalkanstaaten, zur Arbeitssuche Einreisende sowie bestimmte Geflüchtete mit beruflichen Fachkompetenzen für den Arbeitsmarkt gewonnen werden (vgl. BMI & BMAS 2023). Die Anerkennung eines deutschen Referenzberufs als Voraussetzung für die Fachkräfteeinwanderung und als limitierender Faktor für die Stellensuche wurde (u.a. in den dualen Ausbildungsberufen) gelockert. Daneben wird die Antragstellung für die Berufsanerkennung und für Visa und Aufenthaltstitel zunehmend digitalisiert. All diese Änderungen sollen zu einer gezielteren Anwerbung, schnelleren Einreise und besseren Arbeitsmarktintegration beitragen (vgl. Becker et al. 2023, Bushanska et al. 2023, Moravek & Bushanska 2024, Thym 2021).

Notwendige Verstetigung einer bundesweiten Anerkennungsberatung

Die berufliche Anerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikationen bleibt für eine langfristige berufliche Integration und bildungsadäquate Beschäftigung von Zugewanderten ein relevanter Integrationsbaustein. Entsprechend ist die Verbesserung der legalen Zuwanderung und die weitere Nutzung des Fachkräftepotenzials durch Zugewanderte erheblich von der Verstetigung der Anerkennungsberatung abhängig. Integriert in das „SGB-III Modernisierungsgesetz“ sollte es schnell zu einer Verabschiedung der Grundlagen zu dieser Verstetigung kommen. Sinnvoll wäre dabei, auf den umfassenden und erprobten Beratungsansatz des bundesweiten Förderprogramms IQ „Integration durch Qualifizierung“ aufzubauen, welches sowohl Anerkennungs- als auch Qualifizierungsberatung für Bildungsausländer anbietet. So könnte qualifiziertes Beratungspersonal in die neue Struktur übernommen werden.

Ankommen in den Regionen – Integration gelingt vor Ort

Um das Potenzial der Zuwanderung für die Fachkräftesicherung auszuschöpfen, braucht es zentrale Prozesse bei der Einreise: Durch die Zentralisierung der Erwerbsmigrationsverfahren und die Einrichtung einer digitalen Einwanderungsagentur inkl. einer zentralen IT-Plattform für die Beantragung, Bearbeitung und Erteilung von Aufenthaltstiteln, könnten Vorgänge mit einem Einsparungspotenzial von 40 % effizienter gestaltet werden (vgl. PD GmbH 2024). Dagegen sollte das Ankommen in Deutschland - in den Regionen - über die Kommunen gestärkt werden. Integration und Willkommensstrukturen gelingen mit den Akteuren vor Ort, die dafür eine entsprechende Struktur und Ressource benötigen. Können Unternehmen nicht genügend eigene personelle Ressourcen für die (betriebliche) Integration aufbringen, so helfen ihnen Unterstützungsstrukturen, die unter anderem zum Willkommensmanagement beraten und begleiten. Dieses Management umfasst nicht nur die fachliche Einarbeitung, sondern auch das sozio-kulturelle Ankommen im Betrieb. Dazu zählen z.B. Unterstützung bei der Suche nach Wohnungen, Schul- oder Kitaplätzen sowie bei Behördengängen. Zusätzlich fördert es das Verständnis für kulturelle Unterschiede bei allen Beteiligten und integriert die neuen Mitarbeitenden durch betriebliche Freizeitaktivitäten und Sprachtandems im Unternehmen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen können solche Aufgaben nicht selbst umsetzen, weshalb künftig die bestehenden Unterstützungsstrukturen weiter vorgehalten bzw. zum Teil durch politische Förderung noch erweitert oder aufgebaut werden müssen.

Die Projekte des Forschungsinstituts Betriebliche Bildung (f-bb) zeigen, dass Fachkräfteeinwanderung, berufliche Anerkennung und Qualifizierung der Fachkräftesicherung dienen und einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor darstellen. Damit der deutsche Arbeitsmarkt weiterhin davon profitieren kann, müssen Politik, Arbeitsmarkt und (Zivil-)Gesellschaft entsprechende Rahmenbedingungen bereitstellen. Dazu gehören der Erhalt und Ausbau einer Willkommens- und Bleibekultur, effiziente und zentralisierte Einreise- und Anerkennungsprozesse sowie die Förderung bundesweiter und regionaler Beratungs- und Koordinierungsstellen für das regionale Integrationsmanagement.

 

Quellenangaben:

Becker, E., Graf, J., Heß, B., & Huber, M. (2023): Entwicklung der Fachkräftemigration und Auswirkungen des beschleunigten Fachkräfteverfahrens. Begleitforschung zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Forschungsbericht 45 des Forschungszentrums des Bundesamtes, Nürnberg: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Forschungsberichte - Entwicklung der Fachkräftemigration und Auswirkungen des beschleunigten Fachkräfteverfahrens

BMI und BMAS (2023). Auf einen Blick. Offen für Fachkräfte – ein neues Einwanderungsrecht.

Bock, K., Heimann, C., & Reyels, W. (2023). Fachkräftesicherung durch Einwanderung – ein System im Umbau. Bb-Thema: Fachkräftemangel. Berufsbildung Heft 198.

Bushanska, V., Erbe, J., Gilljohann, K., Knöller, R., Schmitz, N., & Scholz, M. (2023). Fachkräfteeinwanderung (nicht) ohne Anerkennung? Was sich mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse ändert. Version 1.0 Bonn.

Heimann, C., & Benzer, U. (2024): Anerkennung und Qualifizierung Zugewanderter zur Fachkräftesicherung. K.-H. Gerholz, S. Annen, R. Braches-Chyrek, J. Hufnagl & A. Wagner (Hrsg.), bwp@ Spezial HT2023: Hochschultage Berufliche Bildung 2023, 1–21.

Moravek, C., & Bushanska, V. (2024): Wichtiges Integrationsinstrument statt Einwanderungshürde – Wie sich die Rolle der Berufsanerkennung durch die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes ändert. DENK-doch-MAL-Das Online Magazin. Claudia Moravek, Vira Bushanska: Wichtiges Integrationsinstrument statt Einwanderungshürde – Wie sich die Rolle der Berufsanerkennung durch die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes ändert – DENK-doch-MAL

PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH (2024): Zentralisierung der Erwerbsmigrationsverfahren. Machbarkeitsstudie, Berlin. https://www.bagarbeit.de/wp-content/uploads/2024/10/Machbarkeitsstudie_Erwerbsmigration.pdf

Thym, D. (2021). „Neuanfang “im „modernen Einwanderungsland “?. Verfassungsblog: On Matters Constitutional. https://verfassungsblog.de/neuanfang-im-modernen-einwanderungsland/

Tiedemann, J., & Orange, F. (2024). Fachkräftereport Juni 2024 – Weiterhin keine Erholung auf dem Arbeitsmarkt. Fachkräftereport im Juni für das Jahr 2024 - KOFA

SVR (2023): Jahresgutachten 2022. Online: Jahresgutachten 2022 - Sachverständigenrat für Integration und Migration gGmbH

WiFF (2023): Fachkräftebarometer frühe Bildung. Zahl des Monats. Online: Zahl des Monats