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Gender-Gap - der lange Weg von Frauen in der beruflichen Anerkennung ausländischer Abschlüsse

Das f-bb wirft einen Blick auf Auswirkungen der Geschlechterunterschiede auf die Erwerbsbeteiligung von Migrant*innen. 

Deutschland hat sich im internationalen Vergleich zu einem sehr beliebten Einwanderungsland entwickelt. In keinem der Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist die Zuwanderung in den vergangenen Jahren so stark wie hierzulande gestiegen. Um die gesellschaftliche Teilhabe der nach Deutschland migrierenden Menschen bestmöglich gewährleisten zu können, besitzt deren Eingliederung in den hiesigen Arbeitsmarkt eine große Bedeutung. Dort bestehen gleichzeitig in vielen Bereichen erhebliche Fachkräfteengpässe, für deren Ausgleich qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland eine wichtige Rolle spielen. 

Seit 2016 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung Personen, die sich ihre im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen in Deutschland anerkennen lassen möchten, über den Anerkennungszuschuss. Unterstützt werden Zugewanderte mit geringer finanzieller Eigenleistungsfähigkeit durch Kostenübernahmen unter anderem für Anerkennungsgebühren, Zeugnisbewertungen und Übersetzungen. Im Monitoring des Förderprogramms durch das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) zeigt sich: Eine Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Qualifikationen hilft insbesondere geförderten Migrantinnen zugewanderten Frauen dabei, ihre berufliche Situation in Deutschland nachhaltig zu verbessern. 

Aus den Daten der im Rahmen des Anerkennungszuschusses durchgeführten Gefördertenbefragungen wird zunächst ersichtlich, dass deutliche Geschlechterunterschiede in der Erwerbsbeteiligung der Personen bestehen, die den Anerkennungszuschuss beantragen. Liegt noch keine Berufsanerkennung vor, sind die Erwerbstätigenquoten der Frauen sehr viel niedriger als die der Männer. Ein Grund für diese Unterschiede liegt in der Geschlechtssegregation der Berufe. Ein erheblicher Teil der geförderten Frauen möchte in Deutschland reglementierte Berufe ausüben. Dazu zählen insbesondere medizinische und Lehrberufe. Die Anerkennung ist für diese Gruppen eine notwendige Bedingung für die Berufsausübung, wird in der Regel jedoch erst nach dem Absolvieren von Ausgleichsmaßnahmen erreicht. In reglementierten Berufen gibt es zwar auch Möglichkeiten ohne volle Anerkennung nah zum erlernten Beruf tätig zu sein, wie beispielsweise als Assistenz im pädagogischen Bereich oder in der Pflege, doch sind die Arbeitslosenquoten im Helferbereich in der Regel höher und die Beschäftigungskonditionen sind im Vergleich zum erlernten Beruf unattraktiv. 90 Prozent der Anerkennungsanträge von geförderten Frauen betreffen reglementierte Berufe, während dieser Anteil bei Männern lediglich 70 Prozent beträgt. Viele Frauen sind vor erfolgreicher Anerkennung ihres Berufsabschlusses damit nicht in der Lage, eine bildungsadäquate Beschäftigung in Deutschland aufzunehmen. Führt das Anerkennungsverfahren wiederum aufgrund wesentlicher Unterschiede nicht in die Bescheinigung einer vollständigen Gleichwertigkeit ihrer im Ausland erworbenen Qualifikationen zu einem deutschen Referenzberuf, besitzen Frauen weniger Anreize, überhaupt eine Beschäftigung aufzunehmen. So zeigen Analysen aus der Gefördertenbefragung, dass nur 57 Prozent der Frauen, aber 68 Prozent der Männer mit einer als „nicht gleichwertig“ eingestuften Ausbildung erwerbstätig sind. 

Die Daten unterstreichen somit: Frauen sind in verstärktem Maß auf eine gelingende Berufsanerkennung angewiesen, um eine ihren Qualifikationen entsprechende Beschäftigung aufnehmen zu können. Auf deren erfolgreiche Integration in den deutschen Arbeitsmarkt wird mit dem Anerkennungszuschuss positiver Einfluss genommen. Während zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Anerkennungszuschuss erheblich weniger Frauen als Männer beschäftigt waren, sind die Unterschiede nach erfolgter Förderung merklich geringer. In nicht reglementieren Berufsbereichen nähern sich die Erwerbstätigenquoten an, in reglementierten Berufen verschwinden vormalige Geschlechterdivergenzen ganz. 78 Prozent der Männer und 79 Prozent der Frauen mit voller Gleichwertigkeit der Ausbildung zu einem reglementierten deutschen Referenzberuf sind nach erfolgtem Anerkennungs-verfahren erwerbstätig. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch im Hinblick auf das Niveau der ausgeübten Tätigkeit. Bei denjenigen Geförderten, denen eine vollständige Gleichwertigkeit ihres ausländischen Berufsabschlusses bescheinigt wird, erhöhen sich die Anteile in bildungsadäquater Beschäftigung: Diese Quote steigt bei Männern um 20 Prozent, bei den Frauen sogar um 35 Prozent. 

Im Rahmen der Anerkennungsförderung von einkommensschwachen Erwerbsmigrant*innen Insgesamt  sind lässt sich damit insgesamt größere festhalten: Die Auswirkungen der Berufsanerkennung fallen für Frauen feststellbar größer aus als für Männer. Berufsanerkennung trägt bei Frauen stärker zur Erhöhung der Erwerbstätigenquoten bei, wodurch die generellen Geschlechterunterschiede in der Erwerbsbeteiligung verringert werden. Werden die im Ausland erworbenen Qualifikationen vollständig anerkannt, gleichen sich zudem die Anteile an Männern und Frauen, die eine ausbildungsadäquate Beschäftigung besitzen, erheblich an. Der Anerkennungszuschuss leistet damit nicht nur einen Beitrag zur Erwerbsintegration finanziell benachteiligter Zugewanderter, sondern auch zur Gendergerechtigkeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt.