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Jugendberufsagenturen gesetzlich verankern

Mit ganzheitlicher Beratung für junge Menschen zum beruflichen Erfolg

Eine funktionierende rechtskreisübergreifende Unterstützung am Übergang von der Schule in den Beruf ist für viele junge Menschen unabdingbar, um sich erfolgreich und langfristig in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt integrieren zu können. Denn die Angebotslandschaft der verschiedenen Sozialleistungsträger ist für junge Ratsuchende meist undurchsichtig und überfordernd.

Seit mehr als 15 Jahren schließen sich in Deutschland Agenturen für Arbeit, Jobcenter und Jugendämter zu Kooperationsbündnissen zusammen. Mittlerweile meist unter dem Namen Jugendberufsagentur bekannt, haben sie zum Ziel, junge Menschen ganzheitlich zu beraten und passende Angebote aus den verschiedenen Rechtskreisen zu bündeln. Eine solche Zusammenarbeit über Rechtskreise hinweg ist kein Selbstläufer. Es braucht Engagement und entsprechende Ressourcen, um die Kooperationsvereinbarungen mit Leben zu füllen. So müssen Beziehungen zwischen den Mitarbeitenden aufgebaut und Arbeitsabläufe etabliert werden. Das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) trägt neben Vernetzungsprojekten, wie der Landesservicestelle JubaS oder der Landesnetzwerkstelle Regio Aktiv, auch durch Evaluationen von Jugendberufsagenturen aus wissenschaftlicher und praxisorientierter Perspektive zur Weiterentwicklung der Jugendberufsagenturen bei.

Qualitätsstandards und regionale Besonderheiten

Es besteht ein Konsens darüber, dass eine koordinierende Stelle die rechts-kreisübergreifende Arbeit fördert. Sie übersetzt die Ziele der Kooperationsvereinbarung in konkrete Arbeitsabläufe, überprüft deren Umsetzung, organisiert Austauschmöglichkeiten und kommuniziert die Bedarfe und Herausforderungen zwischen den Institutionen. Zudem ist es wichtig, eine Balance zwischen regionaler Vielfalt und einheitlichen Qualitätsstandards zu finden. Ratsuchende sollen überregional wissen, was sie von einer Jugendberufsagentur erwarten können. Zugleich müssen die Bündnisse regionale Besonderheiten berücksichtigen und adressieren können.

Neben diesen strukturellen Faktoren, spielen auch Faktoren, die die Zielgruppe direkt betreffen eine wichtige Rolle. So empfand im Herbst 2024 ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen zwischen sieben und 22 Jahren psychische Belastungen und Zukunftsängste (Kaman et al. 2024), knapp 56.000 Schüler*innen beendeten 2023 die Schule ohne Schulabschluss (KMK 2025) und laut der 19. Shell Jugendstudie blickt nur etwa die Hälfte der jungen Menschen positiv in die eigene Zukunft (Albert et al. 2024). Ein Bedarf ist da - passgenaue Angebote der Jugendhilfeträger und Jobcenter sind für eben diese jungen Menschen von hoher Bedeutung. Steigende Bedarfszahlen strapazieren diese Angebote und deren personelle Ressourcen, sodass zusätzliche Angebote für schwer erreichbare junge Menschen auch durch das SGB III notwendig sind.

Strukturen der Zusammenarbeit fördern Ziel der Ausbildungsgarantie

Der Referentenentwurf zum SGB-III-Modernisierungsgesetz vom 13. August 2024 greift einige dieser Punkte auf. Besonders wichtig ist: Er zielt auf eine gesetzliche Stärkung der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit im Rahmen von Jugendberufsagenturen ab. Insgesamt Tragen die Änderungsvorschläge zur Zielsetzung der Ausbildungsgarantie bei, dass jedem jungen Menschen die optimale Unterstützung für einen Zugang in Berufsausbildung zu gewährleisten ist. So werden die Agenturen für Arbeit verpflichtet, u. a. mit dem Jobcenter und den Trägern der Jugendhilfe bei der Förderung junger Menschen zusammenzuarbeiten, auf eine Kooperation mit den wesentlichen Partnern hinzuwirken und bei Bedarf koordinierende Tätigkeiten zu übernehmen. Zudem wird das Leistungsangebot für schwer erreichbare junge Menschen um Maßnahmen der Agentur für Arbeit ergänzt. Ziel ist, junge Menschen mit multiplen Problemlagen zu unterstützen, eine Qualifikation abzuschließen oder in den Arbeitsmarkt einzumünden (BMAS 2024).

Eine Umsetzung der im Referentenentwurf vorgesehenen Änderungen mit Bezug auf Jugendberufsagenturen wäre daher zu begrüßen. Zugleich muss betont werden: Als Resultat der vorgesehenen gesetzlichen Anpassungen darf es nicht zu einer alleinigen Verantwortungsübernahme durch die Agentur für Arbeit kommen (BA 2024). Ein Rückzug der Jobcenter und Jugendhilfeträger aus der etablierten Zusammenarbeit einer Jugendberufsagentur sollte nicht befördert werden (KVJSA 2024, BDA 2024).

Unsere begleitenden Evaluationen von Jugendberufsagenturen haben deutlich gemacht, dass der Mehrwert von Jugendberufsagenturen unmittelbar in der Zusammenarbeit dieser Partner liegt. Jeder Partner bringt bereits Erfahrungen und Expertenwissen im Hinblick auf die Arbeit mit jungen Menschen mit. Fach- und Leitungskräfte in der Agentur für Arbeit können von den Kolleg*innen aus den Jobcentern und Jugendämtern lernen und so auf neue Aufgaben vorbereitet und weiterqualifiziert werden (Deutscher Verein 2024).

Forschung kann die Wirkung von Jugendberufsagenturen messbar machen

Der Gesetzesentwurf stärkt also einerseits die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit und bietet neue Unterstützungsangeboten am Übergang Schule-Beruf. Gleichzeitig sieht das f-bb auch eine Chance darin, mit Implementierung der gesetzlichen Änderungen sowohl die weiteren Umsetzungsprozesse in Jugendberufsagenturen als auch die Einbindung der Ausbildungsgarantie als Instrument kritisch zu beleuchten. Während aus praxisorientierter Perspektive Weiterentwicklungen der Jugendberufsagenturen und individuelle Erfolgsgeschichten deutlich zu beobachten sind, bedarf es aus Forschungsperspektive weiterer Überlegungen zu methodischen Herangehensweisen und passenden Indikatoren. Nur so kann die Wirkung von Jugendberufsagenturen messbar gemacht werden. Zur Umsetzung der Ausbildungsgarantie lassen erste qualitative Erhebungen des f-bb in Sachsen vermuten, dass diese zumindest noch nicht in allen Bundesländern im erwarteten Umfang durch die Bundesagentur für Arbeit umgesetzt wird. Dies könnte neben anderen Aspekten auf die eigenverantwortliche Identifikation als „unterversorgte Region“ zurückzuführen sein. Zur näheren Bestimmung von möglichen Ursachsen bzw. Hürden bei der Umsetzung der Ausbildungsgarantie bedarf es daher weiterer Analysen.

Besonders vor dem Hintergrund eines gemeinsamen Leistungsangebots, das den jungen Menschen in den Mittelpunkt stellt, bedarf es einer wechselseitigen Abstimmung der Unterstützungsangebote aller beteiligten Leistungsträger. Das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) unterstützt daher die Umsetzung einer gesetzlichen Regelung unter einer neuen Bundesregierung, welches auf den bestehenden Strukturen und Entwicklungen aufbaut und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe in einer Verantwortungsgemeinschaft mit allen wesentlichen Beteiligten fördert.

 

Quellenangaben:

Albert, M., Quenzel, G., de Moll, F. (2024). Zusammenfassung der 19. Shell Jugendstudie: Jugend 2024. Pragmatisch zwischen Verdrossenheit und gelebter Vielfalt. Zum Download unter: Shell Jugendstudie 2024 Zusammenfassung Zuletzt ab gerufen am 16.01.2025.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (2024). Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung (SGB-III-Modernisierungsgesetz) vom 13. August 2024. Zum Download unter: Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung Zuletzt abgerufen am 09.01.2025.

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) (2024). Eingriffe in die Beitragskasse sind keine Modernisierung der Arbeitslosenversicherung. Stellungnahme der BDA zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung (SGB-III-Modernisierungsgesetz) vom 24. Juli 2024. Zum Download unter: Stellungnahme SGB III Modernisierungsgesetz Zuletzt abgerufen am 09.01.2025.

Bundesagentur für Arbeit (BA) (2024). Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung (SGB-III-Modernisierungsgesetz) vom 24. Juli 2024. Zum Download unter: sgb-3-modernisierungsgesetz-ba.pdf  Zuletzt abgerufen am 09.01.2025.

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (Deutscher Verein) (2024). Stellungnahme der Geschäftsstelle des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung (SGB-III-Modernisierungsgesetz) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 18. Juni 2024. Zum Download unter: Stellungnahme zum Referentenentwurf zum SGB III-Modernisierungsgesetz Zuletzt abgerufen am 09.01.2025.

Kaman et al. (2024). Mental Health of Children and Adolescents in Times of Global Crises: Findings from the Longitudinal COPSY Study from 2020 to 2024. Zum Download unter: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=5043075 Zuletzt abgerufen am 09.01.2025.

Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit (KVJSA) (2024). Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung (SGB-III-Modernisierungsgesetz). Zum Download unter: 2024_KVJSA_Stellungnahme_SGBIII Zuletzt ab gerufen am 09.01.2025.

Kultusministerkonferenz (KMK) (2025). Statistische Veröffentlichungen der Bildungs-ministerkonferenz: Schüler/-innen, Klassen, Lehrkräfte und Absolvierende der Schulen 2014 bis 2023. Zum Download unter: Dok-1-SKL2023.pdf  Zuletzt ab gerufen am 16.01.2025.

Dr. Barbara Kiepenheuer-Drechsler

Charley Pedde