InfoForum 01/2025
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Transformation gestalten
Prozesse strukturieren – Qualifizierung mitdenken

Technologisch, digital, nachhaltig soll der umfassende Wandel sein, vor dem die Wirtschaft steht. Allein in der klassischen Automobilindustrie werden 100.000 Arbeitsplätze bis 2040 wegfallen, während neue Chancenfelder durch Elektrifizierung, vernetzte Mobilität und autonomes Fahren entstehen. Die Geschäftsmodelle aller Wirtschaftszweige verändern sich durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Aber wie kann Transformation gelingen und wie kann Politik diesen Wandel gestalten?
In Fallstudien mit Unternehmen der Automobil- und Zulieferindustrie, die das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) durchgeführt hat, zeigt sich, dass Transformationsbedarf häufig in mehreren Feldern gleichzeitig besteht und diese von den Unternehmen in der Regel klar benannt werden können. Die Herausforderungen liegen in der Komplexität: Unternehmen können nicht einordnen, welchen Status der Transformation sie im Vergleich zu Konkurrenz haben; sie stehen unter enormem Kostendruck u.a. durch hohe Energiekosten; volatile Märkte und Fachkräfteengpass kommen hinzu. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) der Branche haben eine hohe Produktabhängigkeit und sind damit von den Umbrüchen und Trends ihrer Abnehmerindustrien abhängig. Infolgedessen müssen sie an vielen „Transformationsbaustellen“ gleichzeitig arbeiten, was gerade für KMU besonders herausfordernd ist. Zudem gehen die aktuellen Transformationsbedarfe über Veränderungsprozesse der Vergangenheit hinaus, weil sie tiefgreifender in die Organisation und deren Abläufe einwirken und für Beschäftigte weitreichende Auswirkungen haben. Es fehlen Erfahrungswerte, wie aktuelle Herausforderungen bearbeitet werden können.
Beratung für KMU
Politik versucht hier durch Beratungsangebote insbesondere für KMU zu unterstützen. Die Erfahrung aus der Beratung mit vielen KMU zeigt, dass Beratungsangebote bedarfsgerecht zum richtigen Zeitpunkt der Transformation ansetzen müssen, um Nutzen zu stiften. Praktische Einblicke gibt die Arbeit der Zukunftszentren am f-bb. Nur mit passgenauen Angeboten werden Unternehmen erreicht. So können kurze (digitale) Impulse zu relevanten Themen erste Informationen für Gestaltungsmöglichkeiten für Betriebe geben, die noch ganz am Anfang von Transformation stehen. Checklisten zur Bedarfsprüfung erleichtern den Einstieg in neue Themen und helfen, den Transformationsbedarf zu erkennen. Praxisbeispiele veranschaulichen Veränderungsprozesse, zeigen Herausforderungen und Nutzen auf und bieten Einblicke in deren Umsetzung. Diese Hilfsmittel unterstützen insbesondere KMU in den frühen Phasen der Transformation (s. Abbildung).
Führungskräfte und Mitarbeitende in die Transformation einbinden
Viele Förderprogramme rund um das Thema Transformation hatten insbesondere die Qualifizierung der Beschäftigten zum Ziel. Dabei wurde übersehen, dass fachliche Qualifizierung eher am Ende, denn am Anfang eines längeren, komplexen Transformationsprozesses steht. Vor der Entwicklung fachlicher Kompetenzen muss zunächst der Transformationsprozess im Unternehmen selbst strukturiert werden. Dennoch ist es für Unternehmen notwendig, die Qualifizierung frühzeitig mitzudenken: Denn unternehmerische Strategie, das Einbeziehen von Mitarbeitenden und deren Kompetenzbedarf sollten gemeinsam bedacht werden. Transformation ist letztlich der nachhaltige und tragfähige Umbau von Unternehmen und sollte stets als soziotechnischer Prozess, also das Zusammenspiel von technologischen Veränderungen und damit einhergehender Anpassung von menschlicher Zusammenarbeit, verstanden werden. Das betrifft zum einen Führungskräfte, die zur Steuerung und Kommunikation des Transformationsprozesses unbedingt an Bord zu holen sind. Unternehmen berichten, dass zunächst sie es sind, die Zukunftskompetenzen benötigen, um in einer agilen Arbeitswelt gut zu führen, Resilienz und Zuversicht zu vermitteln sowie eine für die Transformation notwendige Feedback- und Fehlerkultur aufzubauen.
Zum anderen geraten die Beschäftigten im Verlauf häufig aus dem Blick und es werden bspw. digitale Prozesse ohne vorangegangene Qualifizierung eingeführt. Damit dies nicht passiert, umfassen die Beratungsangebote insbesondere auf den höheren Stufen Angebote zur Erfassung von Kompetenzbedarfen und Ableitung notwendiger Qualifizierungen. Steht der Qualifizierungsbedarf fest, sind die Finanzierung von Weiterbildung, das Finden passender Angebote oder mangelndes Interesse der Beschäftigten eher nicht das Problem. Vielmehr erschweren es Zeit- und Personalmangel vor allem kleineren Betrieben, Beschäftigte für umfassende Weiterbildung freizustellen. Auch fehlen systematische Prozesse und Ressourcen, um den Weiterbildungsbedarf der Beschäftigten zu ermitteln und zu planen. Mehr denn je müssen Qualifizierungsangebote in den Arbeitsalltag integrierbar sein, um längere Fehlzeiten der Beschäftigten zu verhindern. Dafür eignen sich digitale Angebote, die im Betrieb umgesetzt werden können oder modulare Konzepte in Kooperation mit Bildungsträgern – auch mit weniger als 120 Stunden Umfang. Hier fehlt es allerdings an passenden Finanzierungs- und Förderprogrammen.
Was bedeutet das für die Politik?
Transformation findet auf mehreren Ebenen statt. Als soziotechnischer Prozess ist das Zusammenspiel von technologischen Veränderungen und damit einhergehender Anpassung von menschlicher Zusammenarbeit zu bedenken. Die Konsequenzen für die Beschäftigten werden von Unternehmen jedoch häufig nicht von Anfang an mitgedacht. Insbesondere Fragen der notwendigen Qualifizierung folgen erst zu einem späteren Zeitpunkt, z.B. mit dem Rollout neuer Technologien. Die Erfahrungen mit Beratung von Unternehmen zeigen: Unterstützungsangebote werden gerne angenommen, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Fokus orientiert am konkreten Bedarf kommen. Reine Qualifizierungsprogramme zu Transformationsbedarfen sind nicht ausreichend. Vielmehr braucht es für KMU eine kontinuierliche Begleitung im Veränderungsprozess. Dabei müssen für KMU die Hürden so gering wie möglich sein. Es bedarf einer externen Übersetzungsfunktion, die Themen und Trends der Transformation auf den betrieblichen Alltag herunterbricht und damit Anknüpfungspunkte für Unternehmen sichtbar macht. Dabei gilt es, technologische Entwicklungen und neue Anforderungen gleichermaßen in den Blick zu nehmen und eine zukunftsorientierte Unternehmenskultur zu etablieren. Ebenso verändern Unternehmen auch ihr Geschäftsmodell, um sich an neue Erfordernisse im Zuge des Wandels anzupassen. Förderprogramme sollten somit nicht nur technologische (Weiter-)Entwicklungen in den Blick nehmen, sondern frühzeitig auch damit einhergehende Veränderungen von Arbeitsprozessen, Anforderungen und Kompetenzbedarfen adressieren.

Dr. Kristin Hecker

Denise Gramß