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Information versus Zufall

Berufliche Orientierung für den Queraufstieg

Bundesweit brechen nahezu 30 Prozent aller Studierenden ihr Bachelorstudium ab, im Masterstudium sind es knapp 20 Prozent (Heublein, Richter & Schmelzer 2020, S. 2, 7). Der Fachkräftemangel und die Herausforderungen bei der Besetzung freier Ausbildungsplätze verstärken den Blick auf Studienabbrechende als interessante Zielgruppe. Während es für Studienabbrechende immer mehr Möglichkeiten gibt – beispielsweise verkürzte Ausbildungsgänge – verfügen die Betroffenen oftmals nur über geringe Kenntnis zu Karrierewegen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Eine gute Berufs- und Studienorientierung ist also gefragt. Genau hier setzt das  Projekt „Beratungsnetzwerk Queraufstieg – Vernetzt beraten zum Thema Studienabbruch in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen“ an. Es trägt dazu bei, das Thema Studienabbruch zu entstigmatisieren, indem es bestehende Beratungsangebote in den vier Bundesländern vernetzt, erweitert und sichtbar macht.

Im Herbst 2022 wurden im Rahmen des Projekts acht leitfadengestützte Einzelinterviews mit Studienabbrechenden durchgeführt, um die Bedarfe der Zielgruppe zu erfassen. Durch Einblicke in die jeweils individuellen Prozesse sollen Bedingungen bei Studienzweifeln und Studienabbrüchen verbessert werden, um Gleichgesinnten, die sich gegenwärtig oder zukünftig in einer ähnlichen Situation befinden, zu helfen. Hypothese war, dass eine frühzeitige Berufs- und Studienorientierung dabei helfen kann, berufliche „Umwege“ zu vermeiden.

Als Herausforderungen bezüglich der Orientierung – sowohl in der Schul- als auch während und nach der Studienzeit – wurden unter anderem konträre Empfehlungen bei Berufetests sowie Schwierigkeiten bei der Nutzung von Beratungsangeboten, wie zu wenige Beratende für eine große Anzahl an Studierenden oder Verschlossenheit gegenüber Fremden, denen man nicht vertraut, genannt. In der Konsequenz haben die Befragten den Entscheidungsprozess allein vorgenommen. Allerdings wäre rückblickend Beratung bei der Orientierung oder Ausbildungswahl notwendig gewesen, um Fehlentscheidungen zu vermeiden. Relevant seien dabei geschulte Personen, mit denen man sich zu Themen wie Karriereplanung, Perspektiven, Stärken-Schwächen-Analyse, Erkennen eigener Fähigkeiten oder aber auch zu angeeignetem Fachwissen aus dem abgebrochenen Studium verständigen könne. Eine Anlaufstelle sei nicht nur an der Hochschule, sondern auch bereits in der Schule wichtig, um Zweifel bei der Studien- und Berufswahl zu thematisieren und präventiv alternative Möglichkeiten aufzuzeigen. Auch wurde die Fülle an Wahlmöglichkeiten thematisiert: Man habe viele Optionen als junger Mensch und wisse häufig noch gar nicht, was man mit dem Leben anfangen möchte.

Oftmals spielte das private Umfeld, vor allem die Familie, eine große Rolle bei der Orientierung oder Berufsentscheidung. Allerdings wurde diese Unterstützung hinterfragt, da viele Eltern es selbst nicht besser wüssten. Generell sei es jedoch schwierig, unabhängige Beratende oder Personen mit Vorbildfunktion („Leitfiguren“) zu finden.

Das Auffinden von Beratungsstellen erfolgte teilweise zufällig: „Also ich habe wirklich nur durch Zufall diese Beratung überhaupt gefunden, was schon mal dafür spricht, dass die nicht sonderlich präsent und prominent irgendwie bei uns beworben wurde.“ Allerdings sei der Wunsch nach Information vorhanden: „Ja, ich würde natürlich jedem wünschen, dass er […] dranbleibt und dann für sich irgendwann rausfinden kann, was sozusagen das Richtige ist. Und dass er […]  am besten gute Beratungsangebote schnellstmöglich findet, die einen sehr gut begleiten.“

Diese Befunde machen deutlich: Eine gute Sichtbarkeit der Angebote sowie präventive und informative Beratungsmöglichkeiten spielen eine wichtige Rolle bei der beruflichen Orientierung. Ein frühzeitiges Aufzeigen von Alternativen und die Anerkennung von Beratenden als Vertrauenspersonen können dabei helfen, Umwege zu vermeiden. Projekte wie das Beratungsnetzwerk Queraufstieg tragen dazu bei, dass ein „Queraufstieg“ aus dem Studium heraus nicht dem Zufall überlassen werden muss.

Das Projekt „Beratungsnetzwerk Queraufstieg – Vernetzt beraten zum Thema Studienabbruch in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen“ wird seit Januar 2021 im Verbund vom Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) und MA&T Organisationsentwicklung durchgeführt und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Quelle: Heublein, U., Richter, J., & Schmelzer, R. (2020). Die Entwicklung der Studienabbruchquoten in Deutschland. (DZHW Brief 3|2020). Hannover: DZHW. doi.org/10.34878/2020.03.dzhw_brief

Dr. Teresa Stang

Dr. Jana Scheunemann