InfoForum 03/2022
Newsletter-anmeldung
Mehr Nachhaltigkeit in der Berufsbildung
Neuer Indikator für die nationale Bildungs-Berichterstattung empfohlen
Eine nachhaltigere Lebens- und Arbeitsweise ist heute ein Ziel, das in fast allen Bereichen unserer Gesellschaft angestrebt wird. Auch in der Berufsbildung sollen Aspekte wie Ressourcenschonung und fairer Handel ein stärkeres Gewicht erlangen. Doch wie lässt sich objektiv messen, ob ein Fortschritt erreicht wurde? Mit dieser Frage beschäftigten sich Forscher*innen im Projekt „Indikatorenentwicklung Berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Sie erarbeiteten ein Bündel an Indikatoren zur Erfassung der Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Berufsbildung (BBNE). Diese sollen als Teil der nationalen Berichterstattung den Umsetzungsstand einer Bildung für nachhaltige Entwicklung in Deutschland aufzeigen und Weiterentwicklungen anregen.
Von diesen Indikatoren werden drei besonders zu Umsetzung empfohlen: Im Zentrum steht ein Indikator, der erfasst, in welchem Ausmaß betriebliches Ausbildungspersonal zum Thema BBNE weitergebildet ist. Er gibt Hinweise darauf, ob und in welchem Umfang sich Ausbilder*innen über entsprechende Weiterbildungen qualifizieren und somit nachhaltige Denk- und Arbeitsweisen in der Berufsbildung vermitteln können. Eine pilotierende Erhebung des Indikators ergab, dass das Ausbildungspersonal von 41,9 Prozent der Betriebe in den letzten drei Jahren Weiterbildungen mit Nachhaltigkeitsbezug besucht hat. Dabei bleibt noch offen, welche Nachhaltigkeits-Dimensionen dabei im Fokus standen und welcher zeitliche Umfang damit verbunden war. Der zukünftige Indikator sollte diese Aspekte noch einbeziehen, um differenzierte Aussagen zu ermöglichen. Aktuell plant das BMBF, den Indikator in eine regelmäßige Betriebsbefragung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) aufzunehmen.
Ein weiterer empfohlener Indikator misst die Verankerung von BBNE in Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrplänen. Durch die KI-gestützte Erfassung von Textstellen mit BBNE-Bezug lässt sich erfassen, ob BBNE Bestandteil von normativen Vorgaben für die Berufsbildung ist. Eine erste Analyse über 540 Rahmenlehrpläne und Ausbildungsordnungen ergab, dass 2021 2,8 Prozent der einbezogenen Dokumente BBNE-Bezüge aufweisen – ein Resultat, das den Handlungsbedarf hinsichtlich der weiteren Implementierung einer BBNE unterstreicht.
Der dritte empfohlene Indikator zielt auf den Stellenwert ab, den Auszubildende der BBNE beimessen und in welchem Umfang diese in den Ausbildungsinhalten wahrgenommen wird. Eine durchgeführte Erprobung unter zwei Berufsschulklassen ergab, dass Nachhaltigkeit in der Ausbildung bei 27,8 Prozent von 177 Befragten „sehr oft“ oder „oft“ thematisiert wird.
Die Forscher*innen wollten im Kontext des Projekts auch wissen, wie die Betriebe BBNE beurteilen. Die Thematik nimmt bereits eine bedeutsame Rolle ein: In einer Umfrage gab mehr als die Hälfte der befragten Betriebe (52,9 Prozent von 301) an, das Ziel zu verfolgen, Nachhaltigkeitsaspekte in der Ausbildung zu verankern. Weitere 15,9 Prozent äußerten, dieses Ziel umgesetzt zu haben. Ein knappes Drittel (31,2 Prozent) verfolgen hier keine Ziele. Auf die Frage nach dem Weiterentwicklungsbedarf in BBNE sehen 18,9 Prozent der Betriebe einen „sehr großen“, weitere 48,2 Prozent einen „großen“ Bedarf.
Die Indikatoren wurden in der zweijährigen Projektlaufzeit in einem Mixed-Method-Ansatz mit Expert*innen aus dem Feld der beruflichen Bildung entwickelt sowie ihr Einsatz getestet. Am Projekt beteiligt waren das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb), die Universität Hamburg, die Fachhochschule des Mittelstands und das BIBB.