Newsletter 02/2024

InfoForum 02/2024

Newsletter-anmeldung

jetzt anmelden

Mobilität trifft Berufsorientierung

Angebote für junge Menschen im ländlichen Raum

Junge Menschen, die beispielsweise in prekären Einkommens- oder Wohnverhältnissen leben, keine Motivation haben zur Schule zu gehen oder einen problematischen Umgang mit Suchtmitteln aufweisen, bedürfen besonderer Unterstützung beim Übergang von der Schule in den Beruf. Auf dem Land können strukturelle Faktoren jedoch eine Barriere für den Zugang zu geeigneten Programmen und Einrichtungen bilden, da zentralisierte Angebote aufgrund der räumlichen Weite und der geringen individuellen Mobilität junger Menschen selten oder nicht angenommen werden. Um diejenigen zu erreichen, die die Angebote bisher nicht wahrnehmen, und sie an die zuständigen Institutionen wie Jobcenter, Agentur für Arbeit oder das Jugendamt sowie deren Leistungen heranzuführen, hat sich mobile Arbeit als ein Ansatz entwickelt, der auf die Lebenswelten und Sozialräume von Jugendlichen und jungen Volljährigen eingeht. Mitarbeitende suchen die Zielgruppe im öffentlichen (z. B. Marktplatz), halböffentlichen (z. B. Jugendclubs) und privaten Raum auf. Sie knüpfen erste Kontakte, indem sie sich auf die individuellen Probleme junger Menschen konzentrieren und eine Beziehung aufbauen. Mobile Arbeit kehrt so die Struktur von staatlichen Unterstützungssystemen um: Hilfebedürftige müssen nicht mehr in (erkennbare) Einrichtungen zu festgelegten Terminen gelangen (Komm-Struktur), sondern sie werden niedrigschwellig in ihrer Lebenswelt aufgesucht (Geh-Struktur).

In unserer Arbeit am Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) stellen wir uns vor diesem Hintergrund drei Fragen: 1. Ist mobile Arbeit ein probates Mittel, schwer erreichbare junge Menschen an institutionell verankerte Hilfesysteme heranzuführen? 2. Welche institutionellen und organisatorischen Vorkehrungen sind für eine erfolgreiche Umsetzung zu treffen? 3. Ist das Modell für den ländlichen Raum geeignet? Hierzu wurden bisher acht Interviews mit Expert*innen aus Jugendberufsagenturen (JBA) geführt. Darunter waren Vertreter*innen der operativen und leitenden Ebene aus Jobcentern, Agenturen für Arbeit und Jugendämtern. Die erhobenen Daten wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet.

Eine im Jobcenter tätige Fachkraft plädierte für eine engmaschige Begleitung und Betreuung der Personen: „Es reicht nicht Jugendlichen zu sagen, dass Berufsberatung wichtig ist, und dass sie dort anrufen und dann alleine hingehen sollen. Dieser Weg hin zur Berufsberatung muss gemeinsam gegangen werden.“

Auf der Grundlage der bisherigen Erkenntnisse lässt sich ein erstes Resümee ziehen.

1. Zum Mehrwert mobiler Arbeit für junge Menschen:

Mobile Arbeit stabilisiert Jugendliche und junge Erwachsene, damit sie sich auf eine Ausbildung vorbereiten und diese erfolgreich absolvieren können. Sie ist Vermittlungsinstanz zwischen den formalisierten Anforderungen der Sozialstaatsbürokratie und den individuellen Verstehenshorizonten der Zielgruppe.

2. Die Gelingensbedingungen mobiler Arbeit:

Mobile Arbeit ist an der Lebenswelt der jungen Menschen orientiert, d. h., sie nimmt darauf Bezug wo, wann und wie diese ihren Alltag verbringen. Sie ist ganzheitlich konzipiert; die Mitarbeiter*innen sind für alle auftretenden Fragen im Jugendalter ansprechbar. JBAenbilden einen geeigneten Rahmen, um die Zusammenarbeit zwischen mobiler Arbeit sowie institutionalisierter BO zu verzahnen.

3. Ein Modell für den ländlichen Raum:

Mobile Arbeit agiert niedrigschwellig und bietet als Wegeleitsystem Informationen über und Begleitung in die Regelsysteme. Sie findet außerhalb der Zentralen der Bürokratie in der Fläche statt und verringert die strukturelle Machtasymmetrie zwischen den Akteuren (Grimmer 2018). Mobile Arbeit trägt dazu bei, die strukturellen Nachteile des ländlichen Raums zu kompensieren, indem sie den Zugang zu den Regelsystemen erleichtert.

Das bestätigt auch die bereits oben zitierte Fachkraft: „Die mobile Arbeit ist gerade für Jugendlichen mit vielfältigen Problemlagen, eine gute Möglichkeit, positive Erfahrungen mit der Berufsorientierung zu sammeln.“ Und hier setzt die Arbeit des f-bb im Rahmen des Kompetenzfeldes „Übergänge und Durchlässigkeit“ an, indem der Transfer in vergleichbare Kontexte diskutiert und begleitet wird.

Literatur:
Grimmer, B. (2018): Folgsamkeit herstellen. Eine Ethnographie der Arbeitsvermittlung im Jobcenter. Transcript.