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Mehr Angebote wünschenswert

Interview mit Laura Roser, Mitautorin der Studie „Berufliche Anerkennung von Pflegefachkräften mit einer im Ausland erworbenen Berufsqualifikation. Situationsanalyse aus Sicht des Förderprogramms IQ“

Frage: Was genau haben Sie untersucht?

Laura Roser: Internationale Pflegefachkräfte sind aktuell sehr gefragt und auch im Förderprogramm IQ eine der relevantesten Berufsgruppen. Vor diesem Hintergrund beleuchten wir mit unserer Situationsanalyse Herausforderungen und bewährte Praxisansätze bei der Anerkennung ausländischer Pflegequalifikationen. Und wir sprechen Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der bestehenden Prozesse und Strukturen aus, z. B. durch eine Ausweitung der Qualifizierungsangebote auf Landesebene.

Grundlage ist in erster Linie die Erfahrung und Expertise des IQ Netzwerks. Dazu haben wir im Mai und Juni 2020 virtuelle Austauschformate mit Personen durchgeführt, die im IQ Netzwerk Pflegefachkräfte aus dem Ausland beraten oder qualifizieren oder in der Koordination eines Landesnetzwerks tätig sind. Auch das Fachwissen weiterer IQ Fachstellen und Zahlen aus dem Monitoring des Förderprogramms haben wir einbezogen.

 

Wo hakt es noch bei der Anerkennung in der Pflege?

Laura Roser: Prinzipiell variiert das Angebot an Ausgleichsmaßnahmen je nach Bundesland und entspricht nicht immer dem tatsächlichen Bedarf. Einerseits gibt es nicht genügend Qualifizierungs- und Prüfungsangebote, sodass Teilnehmende in Flächenländern zum Teil sehr lange Anfahrtswege in Kauf nehmen müssen. Andererseits sind die Länder auch in Bezug auf die Qualifizierungsarten ungleich aufgestellt: Mal fehlt es an Vorbereitungskursen auf die Kenntnisprüfung, mal an Angeboten für Anpassungslehrgänge, im ländlichen Raum auch an berufsbezogenen Deutschkursen. Insgesamt wären mehr Angebote wünschenswert.

Bei der Umsetzung von Anpassungslehrgängen stellen Praxisphasen eine Herausforderung dar: Manchmal sind mehrere Pflegeeinrichtungen notwendig, um die im Bescheid festgestellten Defizite auszugleichen, was mit hohem Koordinationsaufwand einhergeht. Teilweise ist die Bereitschaft der Einrichtungen, Anpassungslehrgänge anzubieten, auch aufgrund der ohnehin knappen Kapazitäten im Pflegealltag begrenzt. Auch sind Arbeitgeber, die z. B. bereits jemanden als Pflegehilfskraft eingestellt haben, teilweise zurückhaltend bei der Freistellung für Ausgleichsmaßnahmen. Ein Grund hierfür scheint zu sein, dass die Möglichkeiten zur Refinanzierung der betrieblichen Qualifizierungsphasen, z. B. im Rahmen des Qualifizierungschancengesetzes, noch nicht hinreichend bekannt sind.

 

Wie steht es um die Vernetzung der Akteure?

Laura Roser: Die Schnittstellen zwischen den beteiligten Akteuren (noch) stärker miteinander zu verbinden – darin liegt ein Schlüssel zur Verbesserung der Anerkennungsverfahren. Und hier ist einiges in Bewegung. Bewährt hat sich ein regelmäßiger Austausch zwischen den IQ Landesnetzwerken und den zuständigen Stellen oder auch zwischen Beratungsstellen unterschiedlicher Förderprogramme. Auf strategischer Ebene bietet sich ein Zusammenschluss der relevanten Akteure an, wie z.B. im „IQ NRW Fachkräftenetzwerk Pflege“. Auch berufsfeldbezogene Koordinierungsstellen, wie es sie in Hessen und Sachsen gibt, sind eine wichtige Stütze. Durch solche Formen der Vernetzung können auch bei übergreifenden Fragen, die sich z. B. im Kontext der Pflegeberufereform oder der Fachkräfteeinwanderung ergeben, gemeinsame Lösungsansätze entwickelt werden.

 

Welche konkreten Möglichkeiten oder Projekte zur Verbesserung gibt es? 

Laura Roser: Interessante Ansätze in der Qualifizierung gibt es z. B. im Saarland, wo Teilnehmende in Praxisphasen durch eine „Projektintegrierte Praxisanleitung“ betriebsübergreifend begleitet werden, was die Einrichtungen entlastet. Modulare Anpassungslehrgänge, wie sie vor allem in Nordrhein-Westfalen erprobt werden, haben den schönen Effekt, dass sie einerseits ein standardisiertes Kursangebot darstellen und zugleich flexibel auf individuelle Qualifizierungsbedarfe eingehen können. Zur begleitenden berufsbezogenen Sprachunterstützung bieten sich auch digitale Tools wie die App „1 Tag Deutsch in der Pflege“ der IQ Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch an –  ganz besonders angesichts der derzeitigen pandemiebedingten Einschränkungen.


Das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ zielt auf die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Erwachsenen mit Migrationshintergrund ab. Das Programm wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und den Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert. Partner in der Umsetzung sind das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Bundesagentur für Arbeit (BA).Die Studie wurde erstellt von der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung. Die Fachstelle ist angesiedelt am Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb). Das Interview erschien zuerst auf dem Portal www.anerkennung-in-deutschland.de.